



Flucht in die Schweizer Armut
Magdalena Stalder
Ein junger Mann wird in seinem Land diskriminiert, weil er zu einer ethnischen Minderheit gehört. Er flüchtet in die Schweiz und beginnt ein Leben zuunterst in der Gesellschaft. Mit einem schäbigen Kiosk am Stadtrand versucht er, die Familie zu ernähren. Die Sozialhilfe muss einspringen.
Der heute 53-jährige Memet kam vor 25 Jahren aus politischen Gründen von Kurdistan in die Schweiz. Er konnte keinen Beruf erlernen. Lehrer und Mitschüler, die Türken mobbten ihn. Daher flüchtete er in die Schweiz und erhielt hier Asyl. Nach einem Jahr Aufenthalt heiratete er eine 20 Jahre ältere Frau. Die beiden waren 8 Jahre zusammen, dann liessen sie sich scheiden, weil die Frau zu alt war um Kinder zu bekommen. Heute haben die beiden Ex-Eheleute noch guten Kontakt zueinander.
Zweite Ehe
Memet versuchte den Wunsch auf Nachkommen mit einer zweiten Frau zu erfüllen. Als er seinen Onkel in Kurdistan besuchte, lernte er dort Fatma kennen. Er fragte sie, ob sie mit ihm in die Schweiz kommen wolle. Fatma verlangte eine Bedenkzeit. Und so hatten Memet und Fatma während einem Jahr nur telefonischen Kontakt untereinander. Als Memet nochmals nach Kurdistan reiste, wurde dann dort geheiratet. Im neuen Gastland Schweiz jedoch kannte Fatma niemanden. Vorübergehend konnte das Ehepaar in einer kleinen Wohnung logieren, welche die Ex-Frau des Mannes zur Verfügung gestellt hatte. Schliesslich fanden sie eine kaum heizbare Wohnung. Dort kam das erste Kind zur Welt.
Wenig Geld
Memet arbeitete überall, wo er einspringen konnte. Zuletzt verkaufte er in einem Take-away-Stand im Bahnhof. Als dieser zumachte, wurde er arbeitslos. Am Rande der Stadt eröffnete er dann in einem alten, nicht heizbaren Kiosk sein Geschäft. Im Sommer lief es ordentlich. Er konnte mit dem Verkauf von Glacen und Getränken monatlich etwa Fr. 3‘500.- verdienen. Im Winter gab es immer eine Flaute, die Einnahmen reduzierten sich um Fr. 1500. -.
Die Familie zog in eine grössere Wohnung im Westen der Stadt. Dort kamen noch zwei weitere Kinder zur Welt. Jetzt hiess es, das spärliche Geld noch mehr einzuteilen. Fatma kann heute gelegentlich Putzarbeit verrichten und freut sich über den kleinen Zusatzverdienst. Sie sucht eine Festanstellung, doch war dies bisher erfolglos. Beim Einkaufen berücksichtigt sie nur Aktionen und wartet bis eine Viertelstunde vor Ladenschluss, wenn die Preise für Frischprodukte um 50% gesenkt werden. Auch geht sie in Brockenstuben. Den Rest des knappen Familienbudgets deckt die Sozialhilfe der Gemeinde.
Hoffnung für die Kinder
Memet und Fatma wünschen sich für die Kinder eine bessere Zukunft. Diese besuchen gerne die Schule und lernen fleissig. Doch in deutscher Sprache haben sie Schwierigkeiten. Die Eltern können ihnen nicht helfen. Traurig sind die Kinder, weil sie nicht wie ihre AlterskameradInnen in die Ferien reisen können. Die ganze Familie pflegt einen guten Kontakt zu SchweizerInnen. Fatma ist glücklich, wenn sie von einer einheimischen Person etwas lernen kann. Dann strickt sie zum Dank kurdische Finken und Shawls mit komplizierten Mustern. (Die Adresse von Fatma kann via Redaktion erfragt werden).